Werbung von der Telekom erhalten viele deutsche Haushalte. Wer sich die Zeit nimmt, das Angebot zu studieren, wird dort keinen Hinweis finden, dass er während der Vertragslaufzeit damit rechnen muss, dass die Telekom seinen Datenverkehr als Daten zweiter Klasse behandelt. Und doch ist dies inzwischen die Realität. – Wie kann es dazu kommen?
Es gibt keinen Serviceanbieter, der innerhalb seines eigenen Netzes alle Nutzer und Anbieter miteinander verbinden kann. Wenn ein Provider Datenverkehr an einen anderen übergibt, geschieht dies aufgrund einer Vereinbarung, in der sich die Anbieter auf ein weitgehend kostenneutrales Peering oder einen kostenpflichtigen Datentransit verständigen; Mischformen sind ebenfalls möglich. Wesentlich für einen gut funktionierenden Datenstrom sind die Kapazitäten an den Knotenpunkten. Werden die Kapazitäten dem Datenverkehr nicht angepasst, kommt es zu Störungen. Geschieht dies absichtlich, ist der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Daten im Netz verletzt, die Netzneutralität nicht gesichert.
Einigen großen Kommunikationsunternehmen wie der Telekom ist der wachsende Datenverkehr, wie er zum Beispiel von Content-Anbietern beim Streaming verursacht wird, ein Dorn im Auge. Sie fühlen sich bei der Gewinnschöpfung übergangen und korrigieren dies dadurch, dass sie Datenengpässe im Internet gezielt zulassen. Dies hat zur Folge, dass die datenintensiven Dienste nur noch eingeschränkt von den Endkunden nutzbar sind. Der Content-Anbieter ist gezwungen, sich eine zusätzliche Anbindung hinzuzukaufen, um den Engpass zu umgehen. Diese Praxis ist nicht nur in Europa zu beobachten: Ein vergleichbares Szenario spielte sich 2013 in den USA ab. Netflix musste zur Sicherstellung seines Streaming-Angebots einen kostenpflichtigen Vertrag dem Internetprovider Comcast abschließen. Dieses Prinzip nennt sich „double paid traffic“: Der Netzbetreiber lässt den Datenverkehr vom Kunden über seinen Vertrag bezahlen und zusätzlich vom Content-Anbieter. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier nicht um technische Probleme, sondern um ein passiv-destruktives Verhalten und eine gewollte Verletzung der Netzneutralität.
Die Telekom hat sich hierzu folgende Sprachregelung ausgedacht: „Managed Services“ sollen das Best-Effort-Internet ergänzen. Das klingt an sich erst einmal vernünftig. Nur leider ist den Sprachschöpfern dabei entgangen, dass durch die Praxis der „Managed Services“ das Best-Effort-Internet keines mehr ist, sondern eine Dienstleistung zweiter Klasse. Dass die Telekom hier völlig unbekümmert über Servicequalitäten entscheiden will, die in laufenden Verträgen über lange Zeit festgelegt sind, stößt erwartungsgemäß auf Widerstand. Auch das blatante Argument, dabei könne sich eine Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent jedes Unternehmen leisten, sorgt für Unmut. Welcher Unternehmer lässt sich schon gerne auf solche Weise in seine unternehmerischen Freiheiten hineinreden? Es ist kein Wunder, dass Kritiker des Telekom-Ansatzes sich gelegentlich an mittelalterliche Praktiken erinnert fühlen und das Modell mit einer Wegemaut oder einem Zehnten vergleichen.
Die Debatte um die Erhaltung der Netzneutralität macht deutlich, dass ein Kernpunkt der massive Vertrauensverlust ist, den sich die Telekom in den letzten Jahren erarbeitet hat. Einer der größten Fehler, den sie begeht, ist die mangelnde Transparenz. Die Telekom beklagt gerne den Gegenwind, den sie in dieser Debatte zu spüren bekommt. Und doch liegt der Hauptgrund hierfür bei ihr selbst: Kunden, die der Telekom aufgrund eigener Erfahrungen den Rücken gekehrt haben, stehen den Argumenten mit begründeter Skepsis gegenüber. Gleiches gilt für Geschäftspartner und Unternehmen wie Init7, Cogent, Level 3, die sich über die destruktive Peering Policy beschweren. Die Telekom argumentiert gerne mit der Notwendigkeit der Neuerungen – nur bleibt sie den Nachweis hierfür ebenso schuldig wie die Erklärung, warum Datenstaus nicht auf andere Weise vermieden werden können.
Eine Ungleichbehandlung von Daten im Internet ist nicht hinnehmbar, schon gar nicht auf die Weise, wie es jetzt schon geschieht und wie es als Geschäftsmodell verbindlich eingeführt werden soll. Das Internet ist eine globale Nutzergemeinschaft, deren Stärke in innovativem Denken, Kreativität und möglichst ungehindertem Austausch liegt. Dass ein Unternehmen seine Marktstellung dazu ausnutzt, um einseitig seine Interessen durchzusetzen und die Interessen anderer zu blockieren, ist inakzeptabel. Die Netzneutralität ist ein ganz wesentliches Merkmal des Internets und sie muss in Zukunft auch erhalten werden. Der Telekom stünde gut an, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass es keiner der eigenen Kunden gut findet, wenn sich ein Internetprovider herausnimmt, den Kundendatenverkehr nach Gutdünken unterschiedlich zu behandeln und die Nutzung des Internets zu behindern. Denn eines ist in der aktuellen Diskussion um die Netzneutralität klar zu erkennen: Die Telekom hat immer noch nicht verstanden, was für das Internet und seine Nutzer wichtig ist.
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